„Provinzkinder“- Geschichten aus der ost- und westdeutschen Provinz.

Aktuell recherchiere ich:

Woraus erwächst die eigene Identität? Wie baut das Leben darauf auf? Und was hat Provinzkinder mit mir zu tun?

Meine Protagonisten sind Provinzgewächse wie ich. Ihre Kindheit verbrachten sie fernab der Großstädte im Osten oder Westen Deutschlands, manchmal auf beiden Seiten. Die Recherche zu meinem literarischen Gespräch in langer Erzählform basiert auf Interviews, die ich mich mit Menschen und Menschen mit mir um den Jahrgang 1975 bis zu Ereignissen um 1989 führe.
Nach der Prämisse: „Sprich mit mir woher du kommst“, erinnern wir uns an die Kindheit: Ferien, Zuhause, Schule, Freundschaft und Liebe…Bisher reden wir gerne und flüssig, schneiden aber auch Probleme wie Umweltverschmutzung, oder politische Verfolgung und Flucht an. Unter dem Projekttitel „Provinzkinder“ plane ich meinen künftigen Roman, dem ich wünsche, dass er in die Realität wächst. Eine deutsch-deutsche Einladung nach über 30 Jahren für echtes Interesse zueinander auf beiden Seiten.

Textausschnitt Ferien:

K.s Ostsee
…“In diesem überbelichteten Sommer fliegen die Möwen weit oben ihre Kreise. Ihnen gehört die leere Luft. Im Himmel, den ich Nichthimmel nenne. Nichts außer Farbkastenblau. Von allen Wolken befreit. Ich hätte mit Graugelb abgemischt. So ist es erträglich. Wie Fotos. Im frühen diesigen Licht werden sie besser. Ich fotografiere schwarz- weiß. Mit meiner Pentax aus Plastik in orange. Das rettet die Szene. Neptunfest. Algenhaar. Da hast du mich gefangen und ins Wasser geworfen. Elende Taufe. Doch gestern ist nicht heute. Ich strecke meine dreizehn Jahre in den Sand. Für immer. In diesen kurzen Hosen und Sand zwischen den Zehen. Die anderen kreischen beim Volleyball. Ich kann auch ohne Sport. Dein braungebranntes Winken soll mich locken. Mich lenkt es ab: vom Rumliegen, in den Himmel starren, vom Salzgeschmack auf der Haut. Ich habe dir nichts versprochen vorhin beim Appellplatz. Willst du mit mir „gehen“? fragt dein Zwinkern über die Pionierreihen hinweg. Noch ein zerknüllter Zettel in meiner Hosentasche. Vielleicht? Heute ein Stück vom Strand zurück. Und später im Diskopavillion hängt mein tiefblauer Lidschatten über deiner Schulter. Wie der warme Himmel über mir.“…

M.s Schwimmingpool
…“Grünes Bild. Ferien hießen Sommerferien. Ich und der Sommer sind zu Hause. Schulfrei schwimmen gehen. Sechs lange Wochen. Mit dem ersten Tag unendlich. Mit dem letzten Tag fängt ein neues Schuljahr an. Im großen Garten meiner Eltern steht es ein selbstgebauter Swimmingpool. Mein Vater baggert das Loch dafür aus und legt die Plane hinein. Aus einem Fertigset für Poolbedarf. Damit fangen die Ferien an. Meine Brüder und ich, meine Mutter, mein Vater schrubben alles einmal durch. Ich rette versteckte Frösche aus den Falten der Plane. Neues frisches Wasser fließt und die Pumpen laufen. Ich sehe mich. Ganz klein falle ich hinein und sinke in meinem grünen Frotteebademantel hinunter. Wie ein Stein. Der Retter, mein Bruder zieht mich hoch. Hier lernen wir alle schwimmen. Tausend gezogene Fünf Meter Runden. Alles Schwimmbare, schwimmt mit. Luftmatratzen. Aufblastiere. Badespaß. Ich kann schwimmen. Wenn meine Freundinnen kommen, schwimmen wir. Schwimmen und draußen sein. Genau das ist es.“…