Marc Dettmann – Den Blick aushalten
von Kathleen Kühn

Eine Leerstelle, Lücken im System der Häuser und Straßen. Brachen sind in Leipzig selten geworden.
Sie entstehen dort, wo frühere Produktionsorte ihren Platz und ihre Bedeutung verloren haben. Sie sind das holprig gefurchte, das liegengelassene Stück Fläche auf dem sich Pionierpflanzen erproben, ihren Staat neu gründen, umherstreifende Fauna und Flora anziehen. Der Blick über eine Brache weitet den Blick in der Stadt. Aufatmen ist möglich. Grillen zirpen. Ein Gewitter kann sich abregnen. Eine Brache schenkt ihrem Betrachter einen Raum, den er zwischen den dicht bebauten Straßenzügen nicht findet.
Doch Brachen müssen ausgehalten werden. Die Weite, die Freiheit mit der sich die Vegetation die Stadt zurückerobert, kann verunsichern, kann stören, wenn man nach Überschaubarem sucht. Und sie kostet. Dort wo nichts steht, kann auch nichts verdient werden. In Leipzig weicht im Zuge der Gentrifizierung Brache um Brache ihrer Neubebauung. Zu Gunsten von Penthouses und kleinen kastigen Stadthäusern.
Damit kann gehandelt werden. Damit kehrt Ordnung ein und das Wissen, dass diese Fläche wirtschaftlich bestmöglich genutzt ist. Aber auch diese neue Ordnung kann stören. Graffiti teilen deutlich und schonungslos ihre Meinung auf dem Weiß und Grau frisch geputzter Dämmungen mit. Eines davon gibt dieser Ausstellung ihren Namen: „Eure Buden sind Vandalismus“
Marc Dettmann ist ein Künstler, der nicht nur die grafische Wirkung und die leuchtenden Spuren der Sprayer in seine Malerei aufnimmt, er teilt auch einige ihrer ästhetischen Botschaften.
Wenn er seine Werke unter „Eure Buden sind Vandalismus“ versammelt, kann das verstören, soll das verstören. Diejenigen, Familien zum Beispiel, die sich mit ihrem Stadthaus ein modernes Kleinod, ein Dorf, inmitten der Stadt abbilden wollen. Diejenigen, mit Fahrstuhl und Dachterrasse, die dafür ihren Kredit monatlich und jahrelang abzahlen. Aber Marc Dettmann ist kein Misanthrop. Obwohl Menschen in seinen Werken nie vorkommen, sondern als stellvertretende leere Projektionsfläche ihrer Betrachter fungieren.
Marc Dettmann malt verlorene Stadtlandschaften, zeigt Städte als Dystopie. Er rechnet auf, was verschwindet, wenn nur noch der Preis des Bodens unter unseren Füßen zählt. Er dokumentiert die verlorene Blicke und Achsen, bevor und wenn urbane Leerstellen verbaut werden. Und er verarbeitet mit spürbarer Tiefe und Ironie, wie schwer er den hastig hochgezogenen Beton auszuhalten vermag.